Grußwort vom Landesvater Kurt Beck  

Albert Schweitzer wird der Satz zugeschrieben: »Das gute Beispiel ist nicht eine Möglichkeit, andere Menschen zu beeinflussen, es ist die einzige.« Albert Schweitzer selbst hat uns in dieser Hinsicht ein Beispiel gegeben, als evangelischer Theologe, Organist, Philosoph und natürlich als Arzt. Seine soziale Haltung, seine berühmt gewordene Ethik der »Ehrfurcht vor allem Leben«, sein Einsatz für die Schwachen, seine Güte und Liebe zu den Mitmenschen in der Nähe und in der Ferne, nicht zuletzt sein Wirken in Afrika - das alles macht auch heute noch den großen Humanisten und Friedensnobelpreisträger von 1952 zum Vorbild.
Mich fasziniert besonders seine durch Ehrfurcht vor den Geschöpfen geprägte Lebenshaltung.
Auch in unserer Zeit ist sein Mut bewundernswert, eine sichere Stellung auf Lebenszeit zu kündigen, sein Zuhause zu verlassen, um ein humanes Ziel zu verfolgen: armen, kranken Menschen in Afrika zu helfen.
    

Bild: Klaus Benz

Viel ist bisher über Leben, Denken, Religion, Moral und Verantwortung Albert Schweitzers geschrieben worden. Die Zahl der Einrichtungen, Veranstaltungen und besonders Schulen, die seinen Namen tragen, sind fast unüberschaubar. Was bisher weniger bekannt ist, sind seine Aufenthalte in Rheinhessen. Durch persönliche Verbindungen kam Albert Schweitzer im September 1951 nach Nierstein und verbrachte dort einige Tage auf dem Weingut Georg und Karl-Ludwig Schmitt. Dem ersten Besuch folgten in den 1950er Jahren weitere Aufenthalte. Er hatte durch seine Besuche interessante und prägende Begegnungen. Albert Schweitzer lernte die Familie von Martin Niemöller kennen. Seine Haltung zu den Atomwaffen und sein Engagement für deren Verbot wurden stark von Professor Karl Bechert, der für die SPD dem Bundestag angehörte, beeinflusst. Es war ein Prinzip von Albert Schweitzer, sich über eine Sache genau zu informieren, bevor er sich äußerte. Als Atomphysiker war Bechert ausgesprochener Gegner der Nutzung der Atomenergie, sowohl der militärischen wie der sogenannten zivilen. Sicherlich wurden durch den brieflichen Austausch mit Bechert auch Albert Schweitzers drei Appelle gegen die Atomgefahr gefördert.

Auch besuchte Albert Schweitzer die berühmte Oppenheimer Katharinenkirche, wo er als begnadeter Bachinterpret auf der Walcker-Orgel spielte.

Die 60. Wiederkehr des ersten Besuches von Albert Schweitzer in Nierstein haben die Vorsitzenden des Geschichtsvereins Nierstein, Dr. Johannes Zimmermann und Hans-Peter Hexemer, dankenswerterweise zum Anlass genommen, durch verschiedene Veranstaltungen und Initiativen, die zusammen mit der Gemeinde, der evangelischen Kirche, der Gemeindebibliothek und der Arbeiterwohlfahrt durchgeführt werden, an dessen Besuche in unserem Land und an das Leben und Wirken des großen Humanisten zu erinnern. In Zukunft wird auch eine Gedenktafel am ehemaligen Weingut Schmitt in Nierstein die Erinnerung wachhalten. Durch diese Veröffentlichung werden die große Persönlichkeit Albert Schweitzers und besonders seine Zeit in Rheinhessen ebenfalls vor Augen geführt. Dafür danke ich den engagierten Herausgebern dieses Buches, Prof. Dr. Werner Zager und Andreas Pitz. Letzterer ist auch der heutige Besitzer des Anwesens in Nierstein, in dem seinerzeit viele Menschen Albert Schweitzer begegnen durften. Wenn all diese Bemühungen dazu führen, dass sich die Menschen auch künftig an Albert Schweitzer erinnern und in seinem Leben und Wirken Orientierungspunkte finden, wird sein Wort ein Stück erfüllt:

»Das schönste Denkmal, das ein Mensch bekommen kann, steht in den Herzen der Mitmenschen.«

Ich würde mich freuen, wenn diese Veröffentlichung zudem dazu beitragen könnte, den Satz, der Albert Schweitzer zugeschrieben wird, zu verwirklichen: »Allen tut uns Selbstbesinnung not, die uns aus dem Dahinleben erwachen lässt. In den alten Verhältnissen müssen wir neue Menschen werden, um neue Zustände schaffen zu können.«

Kurt Beck
Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz