Familie Finck und die Glöck - ein Stück Niersteiner Weingeschichte
 
"Vom Klang der Glocke" ließen sich über 80 Gäste, darunter auch Niersteins Weinkönigin Elena Strub und Verbandsbürgermeister Klaus Penzer, in den Stadtpark locken, wo ihnen der Niersteiner Geschichtsverein mit seiner Vortragsveranstaltung zur Niersteiner Glöck und dem ehemaligen Weingut Philipp Josef Finck einen ebenso informativen wie genussvollen Abend bot.

 
Dr. Hermann Schefers, ein Urururenkel Fincks und Direktor des Klosters Lorsch, hat sich intensiv mit der Geschichte seiner Familie befasst. In seinem überaus anregenden Vortrag zeigte er auf, wie Mitglieder der Mainzer Zinngießerfamilie Finck von einfachen Handwerkern zu wohlhabenden Kaufleuten wurden. Ihre Zinnprodukte stempelten sie mit einem Vogelmotiv, dem Fink, der später auch das Markenzeichen ihrer Weine werden sollte.

   
 
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts spezialisierten sich zwei Brüder der Familie Finck auf den Wein- und Essighandel. Durch geschickte Wirtschafts- und Heiratspolitik, so zeigte Dr. Schefers auf, wurden sie bald zu vermögenden Weinhändlern, denen etliche gute Weinlagen in der Region gehörten. Die beste dürfte zweifellos die Niersteiner Glöck gewesen sein, die Philipp Josef Finck 1862 aus der Konkursmasse des Grafen Buol-Schauenstein erwarb, dem ehemaligen österreichischen Außenminister mit großen Besitztümern am Mittelrhein. Schon damals war die Glöck - die älteste urkundlich erwähnte Weinlage in Deutschland (anno 742) - kein Geheimtipp, sondern genoss einen herausragenden Ruf in Europa.
Die Familie Finck ließ in Nierstein inmitten einer ausgedehnten Gartenanlage ein repräsentatives Weingut erbauen, damals noch außerhalb der Bebauung am südlichen Ortsrand gelegen, heute mitten in der Stadt: das Niersteiner Rathaus mit seinem schönen Park. Die Spitze des Daches zierte - als Symbol für die Glöck - eine kleine Glocke, die erst Ende der 1950er Jahre entfernt wurde, erinnerte sich der Vorsitzende des Geschichtsverein Nierstein, Hans-Peter Hexemer. Die Sommerferien in diesem Hause beschrieb Agnes, die Urgroßmutter von Dr. Schefers in überaus humorigen Briefen. Die ausgewählten Zitate las stellvertretend Weinschöffin Gisela Maurer im Park vor.
 

   
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Zahlreich waren sie dem "Klang der Glocke" in den Stadtpark gefolgt, die Gäste des Geschichtsverein Nierstein.

 

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Hans-Peter Hexemer, der erste Vorsitzende des Geschichtsverein Niersteiner, dankte Weinkönigin Elena Strub sowie den Referenten Dr. Hermann Schefers (links) und Otto Schätzel.


Als Spitzenweine aus Rheinhessen erhielten die Glöck-Rieslinge aus dem Weingut Finck auch international Auszeichnungen, so bei den Weltausstellungen 1867 in Paris oder 1893 in Chicago. Krieg, Wirtschaftskrise und Inflation zerstörten den Wohlstand von Fincks Erben, die den Betrieb zuletzt unter dem Namen Geschwister Diehl führten. 1937 verkauften sie das Weingut an die Gemeinde Nierstein, nachdem sie zuvor schon im Jahr 1925 ihre Spitzenlage Glöck an die damalige hessische Domäne, die heutige staatliche Weinbaudomäne Oppenheim veräußert hatten.
Deren Direktor Otto Schätzel, erläuterte die besonderen geologischen und - durch die umlaufende Mauer gewährleistet - klimatischen Bedingungen der Glöck. Die besondere Pflege des Weinbergs, die selektive Handlese der Rebsorten Riesling und Spätburgunder, die mindestens Spätlesequalität aufweisen müssen, sowie die Ertragsbegrenzung auf maximal 50 Hektoliter pro Quadratmeter - all dies zusammen ist verantwortlich für Spitzenweine von außergewöhnlichem, mineralisch-fruchtigem Geschmack. Wie außergewöhnlich, davon konnten sich die Teilnehmer bei einer qualitätsvollen Probe mit sechs Rieslingen selbst ein Bild machen: 2012er Riesling 'Großes Gewächs' trocken, 2011er Riesling trocken, 2009er Riesling trocken, 2003er Riesling Spätlese, 2009er Riesling Auslese und 2006er Riesling Beerenauslese durften verkostet werden, begleitet von Otto Schätzels fachkundigen Kommentaren, die das Besondere jedes einzelnen Weines verständlich machten. "Ein wunderbarer Abend", so lautete das einhellige Urteil, sehr zur Freude des Vorstands des Geschichtsverein Nierstein und seiner fleißigen Helfer, die diese Veranstaltung organisiert hatten.

 

Zur Geschichte der "Niersteiner Glöck" und des Weingutes Philipp Josef Finck plant der Geschichtsverein Nierstein eine umfassende Publikation, die im nächsten Jahr erscheinen wird.

 

 
 
     
Nierstein, August 2013