Auf den Spuren jüdischen Lebens in Nierstein

Rund 40 Teilnehmer begleiteten die Aktiven des Geschichtsvereins und des Arbeitskreises Stolpersteine auf ihrem Rundgang durch Nierstein, um an die Geschehnisse des Novemberpogroms von 1938 zu erinnern. Der erste Vorsitzende des Geschichtsvereins Hans-Peter Hexemer zog zum Auftakt eine Parallele zur aktuellen Flüchtlingsproblematik. "Wie viele Menschen wären am Leben geblieben, wenn sie Länder gefunden hätten, die sie aufnehmen. Wie wäre die deutsche Geschichte verlaufen, wenn die Aufnahmebedingungen anders gehandhabt worden wären?" Die "Gegenwart der Vergangenheit" verpflichte Deutschland bis heute besonders, Verfolgten Schutz zu gewähren.
In den vergangenen drei Jahren wurden in Nierstein insgesamt 54 Stolpersteine verlegt. An fünf ausgewählten Standorten im alten Stadtkern erinnerte der Geschichtsverein an die Schicksale der Menschen, die den gewalttätigen Exzessen am 9./10. November 1938 hilflos ausgesetzt waren. Maria Adler, Dr. Susanne Bräckelmann, Matthias Hammes,
  Geschichtsverein Nierstein e.V.

Rüdiger Leineweber berichtete vom Schicksal der Familien Hirsch und Koch in der Rheinstraße 12.

Rüdiger Leineweber und Johanna Stein trugen vor, was der Arbeitskreis Stolpersteine zu den Schicksalen der jüdischen Familien Feiner, Goldschmidt, Wolf, Hirsch, Koch, Sonnenberg und Kaufmann recherchiert hatte.
Den jüdischen Familien in Nierstein war bereits in den Jahren zuvor durch Hetzkampagnen, Boykottaufrufe und Berufsverbote systematisch die wirtschaftliche Existenzgrundlage entzogen worden war. So waren sie schließlich gezwungen, ihre Häuser zu verkaufen und Nierstein zu verlassen.
Nach den Novemberpogromen gelang es nur noch sehr wenigen zu emigrieren, die meisten mussten zunächst nach Mainz in sogenannte "Judenhäuser" ziehen. Von dort aus wurden sie schließlich in verschiedene Konzentrationslager deportiert und ermordet.

Nur ein Niersteiner, Jakob Hirsch, überlebte das Konzentrationslager. Er kehrte sogar nach Rheinhessen zurück und lebte - wie die Recherchen von Georg Zimmermann und Hans-Peter Hexemer erst kürzlich ergeben haben - bis zu seinem Tode am 5. Oktober 1975 in Wolfsheim und besuchte unter anderem Bekannte in Dexheim und Schwabsburg.
Hans-Uwe Stapf, zweiter Vorsitzender des Vereins, beendete den Rundgang mit einem Zitat Carl Zuckmayers, der das Novemberpogrom in Wien erlebte: "An diesem Abend brach die Hölle los. Was hier entfesselt wurde, war der Aufstand des Neids, der Missgunst, der Verbitterung, der blinden böswilligen Rachsucht - und alle anderen Stimmen waren zum Schweigen verurteilt."
    GVN

An die Familie Kaufmann in der Rheinstraße 38 erinnerte Maria Adler.

 

Bilder: Geschichtsverein Nierstein

   
     
     

Nierstein, November 2015