Ein Vortrag von Sina Schiffel aus Anlass des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus am 27.01.2013

 

Jakob Steffan: Ein mutiger und streitbarer Demokrat, Abgeordneter, KZ-Häftling, Widerstandskämpfer und Innenminister

Jakob Steffan hatte Mut. Mut für die Demokratie zu kämpfen und den Nazis schon früh entschlossen entgegenzutreten. Nach deren Machtergreifung wurde er verhaftet, inhaftiert, gefoltert, kam ins KZ und ins Gefängnis. Halb erblindet kam er nach Jahren frei. Mut hatte er danach unvermindert. Er schloss sich dem Widerstand an, kämpfte zusammen mit Wilhelm Leuschner, Carlo Mierendorff und Ludwig Schwamb im Untergrund. Den Verfolgungen nach dem 20. Juli 1944 entging er mit Glück. Mut hatte Steffan auch nach der Befreiung. Streitbar wie eh und je setzte er sich für den demokratischen Wiederaufbau ein, wurde erster Innenminister von Rheinland-Pfalz, bis er 1951 in Folge einer Intrige zurücktreten musste.
 

   

Die Verleumdungen und Diffamierungen, mit denen die Nazis Steffan schon vor 1933 überzogen wirkten auch nach 1945 fort. Unter den Nazis wegen angeblichen Betrugs verurteilt, wurde er zwar rechtlich schon 1945 rehabilitiert, musste sich aber fortwährend gegen Vorwürfe zur Wehr setzen. Bis über seinen Tod hinaus etwa wurde ihm eine Kollaboration mit der Gestapo vorgeworfen. Auch dies eine haltlose Behauptung. So blieb Jakob Steffan lange Zeit nicht nur als ein streitbarer Demokrat, sondern auch als umstrittene Persönlichkeit in Erinnerung.

Es ist der akribischen Arbeit der jungen Historikerin Sina Schiffel zu verdanken, dass jetzt erstmals ein umfassendes Lebensbild des Oppenheimer Sozialdemokraten Jakob Steffan vorliegt, das mit vielen Vorurteilen aufräumt und ihnen die Fakten eines aufrechten politischen Lebens entgegen setzt. Aus Anlass des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus stellte Sina Schiffel ihre Forschungsergebnisse in einem eindrucksvollen Vortrag beim Niersteiner Geschichtsverein im Rathaus vor. Schon als Oppenheimer Stadtrat scheute er keine Auseinandersetzung und kämpfte für die junge Demokratie, als hessischer Landtagsabgeordneter warnte er vor den Umsturzplänen der Nazis (Boxheimer Dokumente des Werner Best, später Stellvertreter von Heydrich und deutscher Statthalter im besetzten Dänemark), was ihn unmittelbar nach deren Machtübernahme der Verfolgung aussetzte. Er wurde verhaftet, zu unrecht verurteilt, ins Gefängnis nach Butzbach eingeliefert, danach in das Konzentrationslager Dachau verschleppt. Schwer krank kam Steffan schließlich 1939 frei, unterstand fortan aber der Polizeiaufsicht, musste sich regelmäßig bei der Gestapo melden.

Dennoch schloss er sich dem sozialdemokratisch-gewerkschaftlichen Widerstand gegen Hitler an, gehörte schließlich 1944 auch zum Vertrauensleute-Netzwerk das 1944 nach einem erfolgreichen Attentat gegen den Diktator hätte aktiv werden sollen. Nur knapp entging er danach erneuter Verfolgung. Er erlebte das Kriegsende versteckt in Spiesheim, so Schiffel.

 

Jakob Steffan

 

Nach der Befreiung von der Terror-Herrschaft wurde er Polizeipräsident in Mainz, Regierungspräsident für Rheinhessen und schließlich erster Innenminister im neuen Land Rheinland-Pfalz. Er trug viel zum Wiederaufbau bei, insbesondere auch zur Schaffung einer demokratischen Polizei. 1948 nahm er an der Koblenzer Rittersturz-Konferenz der Ministerpräsidenten teil, die den Weg zur Bundesrepublik Deutschland vorbereitete.
Als Minister musste er 1950 gesundheitlich weiter angeschlagen zurücktreten. Steffan starb 1956 und ist in seiner Vaterstadt Oppenheim beigesetzt, deren Ehrenbürger er war.

Für den 2. Vorsitzenden des Niersteiner Geschichtsvereins, Hans-Peter Hexemer, ist es wichtig, der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken und dabei auch an Männer wie Jakob Steffan zu erinnern, die sich trotz des erlittenen Leids für den Neuaufbau eines demokratischen Deutschland eingesetzt haben. Heute bestehe daher die Verantwortung, engagiert und mutig neuem rechten Treiben entgegen und kraftvoll für die Demokratie einzutreten.