| Übergabe „Rundweg auf den Spuren von Freiheit und Demokratie in Nierstein“
am 26. September 2025, 18 Uhr, Marktplatz - Kirchgarten Nierstein, Ansprache von Hans-Peter Hexemer. Vorsitzender Geschichtsverein Nierstein "Frau Landtagsvizepräsidentin, meine Damen und Herren, liebe Mitglieder, liebe Freunde, zur offiziellen Vorstellung unseres Rundweges „Auf den Spuren von Freiheit und Demokratie in Nierstein“ darf ich Sie alle als 1. Vorsitzender des Geschichtsvereins sehr herzlich willkommen heißen. Ich freue mich, dass Sie alle hier sind und wir gemeinsam zeigen: die Demokratie sind wir alle. Sie haben soeben Fritz Vollrath und Lothar Schwamb gehört, die mit Freiheitsliedern unsere Veranstaltung weiter mitgestalten werden. Herzlichen Dank dafür. Nie wieder! Diesen Ausruf und Aufruf haben wir in diesem Jahr - 80 Jahre nach Ende des Nazis-Terrors und des Zweiten Weltkrieges - sehr oft gehört. Diesen Satz habe ich von meinem Vater Paul, Jahrgang 1924, Soldat, Kriegsgefangener in den Weiten Russlands, in meiner Kindheit und Jugend oft gehört. Es hat auch mein Leben mitbestimmt. Nie wieder Krieg und nie wieder Faschismus. Dieses klare Nein zu Terror und Willkür, zu Judenhass und Ausgrenzung, zu Menschenverachtung und Krieg war die eine Seite meines Engagements. |
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| Die andere Seite war und ist das ebenso klare Ja zu Freiheit und Demokratie, zu einem Staat, in dem alle frei leben können, der die Würde und die Rechte des Einzelnen sichert und sich alle darauf verlassen können, dass Recht und Gesetz das Zusammenleben der Menschen bestimmt. Dafür habe ich mich lebenslang selbst engagiert. Und ebenso taten dies viele, viele andere, die zu unserer alles in allem gelungenen Demokratie beigetragen haben.
Freiheit und Demokratie waren und sind aber nicht selbstverständlich. Sie mussten erst erkämpft werden, unter Opfern, von Generationen vor uns, nach Rückschlägen wieder neu entstehen und sich durchsetzen, um Erfolg zu haben. Dennoch: die Demokratie bleibt ständig bedroht. Auch jetzt, bei uns und überall, wo sie existiert. Deshalb müssen wir uns immer wieder mit Blick auf die Geschichte Vergewisserung für die Gegenwart holen. Deshalb ist die Befassung mit der Demokratiegeschichte immer auch ein Stück Demokratieerziehung. Es ist mir persönlich und uns als Verein seit Jahren ein Anliegen der Demokratiegeschichte in Nierstein einen breiteren Raum in der Öffentlichkeit zu verschaffen. Allgemeine Entwicklungen lokal zu erzählen, Persönlichkeiten und Ereignisse bekannter zu machen und den Menschen zu vermitteln, dass sich für unsere Freiheiten und unsere Demokratie auch Menschen vor Ort tatkräftig eingesetzt haben, dass sie aber auch bedroht und verfolgt wurden, um schließlich nach dem Krieg die Chance zum Wiederaufbau eines demokratischen Landes von unten her zu nutzen. Um mehr aus der Niersteiner Demokratiegeschichte zu vermitteln, habe ich nicht nur in den Geschichtsblättern bereits über einzelne Themen geschrieben. Als Verein zudem verschiedene Aspekte in Veranstaltungen, Vorträgen, Ausstellungen sowie Musik- und Theaterabenden aufgegriffen. In den vergangenen Jahren haben wir zudem Rundgänge durchgeführt, die auf viel Interesse gestoßen sind. Diese Spurensuche zur Freiheit und Demokratie in Nierstein bildeten die Basis für das Projekt, das wir seit 2024 bis heute in die Realität umgesetzt haben: der Rundgang zu Ereignissen der letzten 230 Jahre, die unsere demokratische Entwicklung dokumentieren. Es ist ein Denkmal für die Demokratie entstanden, das seine Wirkung nur entfalten wird, wenn wir es selbst bedenken, uns informieren und uns damit auseinandersetzen. Denk mal! Ist insofern auch eine Aufforderung an uns. Leider sind die wichtigen lokalen Ereignisse vielfach in Vergessenheit geraten, die Protagonisten kaum bekannt. Dies wollen wir mit dem neuen Rundgang ändern. So reicht der Weg von Philipp Wilhelm Wernher, dem Abgeordneten der Paulskirche im Jahr 1848, bis zu Maria Sander, die 1974 als erste Frau zum Mitglied des Niersteiner Gemeinderats gewählt wurde. Dazwischen liegen weitere elf Stationen, bei denen die Erfolge, aber auch Bedrohungen der Demokratie sowie die Verfolgung von Demokraten deutlich werden. So geht es um August Eckert, den ersten Arbeiter im Amt des Bürgermeisters 1919, die Republikverteidiger des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold aus DDP, Zentrum und SPD in der Weimarer Zeit, die Verfolgung und Ermordung von Gegnern durch die Nazis und um die Verantwortlichen für den Wiederaufbau nach 1945 wie Andreas Licht, Georg Schneider und Gustav Strub. Als wir unsere Idee der Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte vorgetragen und einen entsprechenden Förderantrag gestellt haben, sind wir dort auf offene Ohren gestoßen, weil wir mit unserem Ansatz genau in Richtung der Ziele der Stiftung unterwegs sind: den Wert der vielfältigen historischen, demokratischen Traditionen für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung, sowie für ein funktionierendes, stabiles und gerechtes Gemeinwesen aufzuzeigen und breitenwirksam zu vermitteln. Ohne die Förderung der Stiftung hätten wir dieses Projekt nicht realisieren können. Die Realisierung unserer Idee ist aber nicht nur von der Stiftung gefördert, sondern ist auch von der Stadt Nierstein unterstützt worden. Stellvertretend möchte ich für die Stadt unseren Bürgermeister Jochen Schmitt begrüßen. Das Vorhaben des Rundwegs musste aber auch ganz praktisch umgesetzt werden. Wir haben dabei in dem Niersteiner Journalisten Dr. Jochen Werner, den ich ebenfalls herzlich begrüße, und seiner Medienproduktion Firefilm den Partner gefunden, der das Projekt umgesetzt und die Website, Texte, Audios und Filme produziert hat. Heute können wir das Projekt offiziell der Öffentlichkeit vorstellen, worüber ich mich als Vorsitzender des Geschichtsvereins besonders freue. Mein Dank gilt allen vorgenannten Beteiligten, die auch im Anschluss zu Ihnen sprechen werden. Gerne möchte ich an dieser Stelle weitere Gäste begrüßen: Die Basis des neuen Rundgangs bildet die Homepage mit Texten, Bildern und Audiobeiträgen, die an den jeweiligen Gebäuden durch einen QR-Code abgerufen werden können. Dort wurden kleine Schilder angebracht mit kurzem Text und dem Code. Mit dem neuen Rundweg wird ein weiterer sehr wichtiger Teil der Stadtgeschichte dargestellt. Ich freue mich sehr, dass heute Reihe von Nachfahren von Persönlichkeiten bei uns sind, deren Wirken beim Rundgang dargestellt wird. Von heute an können wir uns auf eine ebenso informative wie eindrucksvolle Art mit der Niersteiner Demokratiegeschichte befassen, die alle Generationen anspricht. Machen Sie bitte Werbung für diesen neuen Ansatz, Demokratiegeschichte kennenzulernen. Machen Sie Freunde, Bekannte, Nachbarn aufmerksam, das Handy zu zücken, den Weg vor Ort abzugehen oder sich zuhause auf die Reise zur Demokratie in Nierstein zu begeben. Demokratie, die für uns alle wichtig ist. Nie haben die Menschen in Deutschland freier und selbstbestimmter leben können als heute. Individuelle Freiheit und Autonomie, Wahl und Mitsprache in der Gemeinschaft mit anderen, Sicherheit vor Willkür und gegenseitiger Respekt unter Gleichberechtigten - das alles macht unser Zusammenleben aus. Auch dadurch sind wir für viele in der Welt ein Hoffnungsland geworden. Sehen wir also das Positive und lernen wir es zu schätzen. Nach der Hitler-Diktatur folgte für die Ostdeutschen der SED-Unrechtsstaat, Stasi- und Polizeistaat, eingegrenzt von Mauer und Stacheldraht. Vor 35 Jahren haben die Ostdeutschen von Innen dem ein Ende gemacht. Am 18. März 1990 - dem Jahrestag der Mainzer Republik - durften die Menschen zum ersten Mal frei wählen. Der spätere Bundespräsident Joachim Gauck, damals schon 50 Jahre alt, erzählte, dass er diesen Tag nie vergessen werde: „Als ich die Kabine verließ, kullerten mir die Tränen über die Backen. Es ist ein Glück, wählen zu dürfen.“ Und eine schwer erkämpfte Errungenschaft. Vergessen wir das nie. In Zeiten wie diesen ist es notwendiger denn je, engagiert zu bleiben: Gegen neuen Extremismus, gegen Hass, Gewalt, Intoleranz und Menschenverachtung. Für eine offene Gesellschaft, für Menschenrechte und Menschenwürde, Freiheit und Demokratie. Die Demokratie verträgt keine von Hass und Vergeltung getriebenen Menschenfeinde, mögen sie im Kreml oder im Weißen Haus oder ganz rechts im Deutschen Bundestag sitzen oder sich bei uns lokal bemerkbar machen. Denn: Die Demokratie lebt vom Anstand und Respekt. Die Demokratie hat es verdient, dass wir sie und ihre Werte zu unserer Sache machen. Demokratie - das sind wir alle. Aber wir haben sie auch künftig nur dann, wenn wir sie halten. Mit diesem Wunsch möchte ich den Rundweg „Auf den Spuren von Freiheit und Demokratie in Nierstein“ der Öffentlichkeit offiziell übergeben. Vielen Dank." |
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| © Texte und Fotos – soweit nicht anders angegeben: Geschichtsverein Nierstein e.V. | ||
Nierstein, September 2025 |
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