Niersteiner Geschichtsverein auf Bayern-Tour
Erding, Nymphenburg, Innsbruck als Höhepunkte
 
   
Es ist schon zur guten Tradition geworden: Alle zwei Jahre fahren Mitglieder und Freunde des Geschichtsvereins Nierstein für drei Tage ins bayerische Fünf-Seen-Land. Dort erwartete die rund 40köpfige Gruppe auch diesmal der gebürtige Niersteiner Prof. Helmut Klausing mit seiner Familie, der seit Studienzeiten im Raum München lebt und der noch immer aufs Engste mit seiner Heimatgemeinde verbunden ist. Seit 2000 ist er Mitglied des Geschichtsvereins und seit 2005 "Niersteiner Botschafter in Bayern".

Auch diesmal hatte er sich das ganze Wochenende Zeit genommen, den Niersteinern historische und kulturelle Schönheiten Oberbayerns, Tirols und Münchens zu zeigen. Der Geschichtsverein hatte eine große Niersteiner Fahne mitgebracht, die der 2. Vorsitzende Hans-Peter Hexemer überreichte und die nun am Haus der Klausings flattert. Sie soll immer dann am schönen neuen Mast wehen, wenn in Nierstein wichtige Feste stattfinden. Helmut Klausing zeigte sich sehr erfreut, dass er auch auf diese Weise seine Verbindung zum Rhein in Bayern öffentlich dokumentieren könne.

Zum Programm gehörte ein Tagesausflug in die Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck, die zweimalige Olympiastadt. Bei einem Rundgang durch die Altstadt war das Wahrzeichen, das "Goldene Dacherl" eine Pflichtstation. Der mit 2.657 feuervergoldeten Kupferschindeln bedeckte Prunkerker wurde als Auftragswerk unter Kaiser Maximilian I. vom Hofarchitekten Niclas Türing dem Älteren um 1500 errichtet.
Erstmals erwähnt wird "Inspruk" um 1167 und hat seinen Namen der Brücke über den Inn zu verdanken, die Mitte des 12. Jahrhunderts erbaut wurde. Die Geschichte Innsbrucks erhellt sich um 1133, als die bayerischen Grafen von Andechs am orographisch linken Innufer einen Markt (heute Stadtteil St. Nikolaus) errichteten. 1180 erwarb Markgraf Berthold V. von Andechs Istrien vom Stift Wilten ein Grundstück am rechten Innufer und errichtete dort einen durch einen Graben und eine Stadtmauer mit Toren umgebenen weiteren Markt- und Handelsplatz, die heutige Altstadt. Zwischen 1187 und 1204 erfolgte die Erhebung zur Stadt und die Verleihung städtischer Rechte. 1281 kam es zur ersten Stadterweiterung (Neustadt, heutige Maria-Theresien-Straße). 1363 kommt Innsbruck mit der Grafschaft Tirol an die Herzoge von Österreich. Herzog Friedrich IV. erwählte Innsbruck 1420 zur neuen Residenzstadt. Es folgte eine absolute Blütezeit, die unter Kaiser Maximilian (1459 - 1519) ihren Höhepunkt erreichte. Mit der Residenzstadt Innsbruck war Maximilian eng verbunden. Von hier aus wurde Weltgeschichte gemacht. Innsbruck war Mittelpunkt des damaligen Europas. Die europäische Bedeutung und vor allem die musikalische Blütezeit Innsbrucks vom 15. bis ins 18. Jahrhundert prägen auch heute noch die Stadt vor allem in kultureller und baulicher Hinsicht.
Kaiser Maximilian I. stand an der Zeitenwende. Er war der letzte Ritter und gleichzeitig der erste Herrscher, der einer neuen Zeit angehörte. Er war der erste Habsburger, der sich von einer mitteleuropäischen Orientierung hin nach Westeuropa wandte. Seine erste Ehe mit Maria von Burgund brachte als Gewinn die heutigen Länder Belgien und die Niederlande, sowie Teile Nordfrankreichs ein - und die Gegnerschaft mit Frankreich. Die Verbindung mit Bianca Maria Sforza ebnete ihm den Weg nach Italien. Durch Maximilians Heiratspolitik ging schließlich die spanische Thronfolge auf das Haus Habsburg über.

Nächste Station beim Rundgang war die Innsbrucker Hofkirche mit dem Grabdenkmal Kaiser Maximilians I. Sie ist das bedeutendste Kaisergrabdenkmal Europas und Zeugnis einer europäischen Hofkunst, für die die besten Künstler wie Albrecht Dürer, Peter Vischer d. Ältere, Alexander Colin u.a. beschäftigt wurden. Die von den Habsburgern geprägte Hofkunst in Innsbruck ist international, aber auch lokalen Traditionen verbunden. Mit Kaiser Maximilian I. (1459 - 1519) verbindet sich die zentrale Stellung Innsbrucks in Europa zu jener Zeit.
Nachdem sich die Idee im Testament Maximilians, sein Grabdenkmal in der Burgkapelle zu Wiener Neustadt aufzustellen, praktisch als undurchführbar erwiesen hatte, legte König Ferdinand I. als Testamentserfüller die Errichtung eines neuen Stiftes mit Kirche und Kloster in Innsbruck für das Grabdenkmal fest.
   

 
28 überlebensgroße (200 bis 250 cm) Bronzestatuen von Ahnen, Verwandten und Leitbildern sind rund um den marmornen Kenotaph Kaiser Maximilians I. aufgestellt. Zahlreiche Künstler waren von 1502 bis 1555 an den komplizierten Arbeitsgängen wie dem Entwerfen der Visierung, dem Modellschnitzen, dem Modellieren in Lehm und Wachs und dem Gießen bis zur Fertigstellung der Statuen beteiligt.
Der Innsbrucker Dom wurde als Barockbau von 1717 - 24 anstelle älterer Kirchen erbaut. Der Vorgängerbau stammte aus der Gotik. Am Altar befindet sich das berühmte Mariahilfbild von Lukas Cranach, die Deckenfresken und Stuckaturen stammen von den Gebrüdern Asam. Das Grabmal von Erzherzog Maximillian III. dem Deutschmeister von Caspar Gras stammt aus dem Jahre 1620. Bei der Renovierung 1990 - 1993 wurde eine moderne Unterkirche eingebaut, die den Gläubigen die Möglichkeit zum Gebet gibt.
Sehr beeindruckend war auch das auf 1000 Quadratmetern Leinwandfläche ausgelegte Panoramarundgemälde, in dem die Schlacht am Bergisel vom 13. August 1809 dargestellt wird. Unter der Führung von Andreas Hofer gelingt es dem Tiroler Volksaufgebot die militärisch überlegenen napoleonischen und bayerischen Besatzungstruppen zu besiegen. Es ist ein einmaliges Kunstwerk mit einer gewaltigen Perspektivenwirkung. Landschaftsmalerei und Historienmalerei werden verknüpft. Es bietet außer den geschichtlichen Schlachtszenen einen Blick auf das alte Innsbruck, sowie auf den Stadtteil Wilten. Der Kunstmaler Michael Zeno Diemer (1867 - 1939) erlangte mit diesem Ölbild weltweiten Ruhm. Das Riesenrundgemälde ist eines von 24 weltweit noch existierenden Panoramen und österreichweit einzigartig.
Den Abschluss des Besuches in Innsbruck bildete der Besuch in der Basilika von Sankt Wilten, am Fuße der bekannten Skisprungschanze am Berg Isel. Der Legende nach verehrten schon römische Legionäre des Kastells Veldidena an diesem Ort ein Marienbild. Unter der heute bestehenden Basilika wurden die Reste einer Vorgängerkirche gefunden, die auf die Zeit des frühen Christentums, das 5. Jahrhundert, datiert wurde. 1140 wurde ihre Betreuung vom Prämonstratenserorden übernommen, ab 1259 ist eine Kirche "Unserer Hohen Frau" verbrieft, zu der bald eine rege Wallfahrtsbewegung einsetzte. Die bestehende Kirche wurde in der Folge mehrmals umgebaut. Wegen Baufälligkeit kam es 1751 - 1756 zu einem Neubau durch Franz de Paula Penz nach Plänen von Josef Stapf. Der Platz vor der Basilika, welche außen in Gelbtönen gehalten ist, lässt ihre Barockfassade besonders schön zur Geltung kommen. Das Kircheninnere ist ein Rausch zartester Farben, vermischt mit viel Gold und zierlichem Rokokostuck. Deckengemälde zeigen Szenen aus dem Leben Mariens. Der Hochaltar mit seinen vier Säulen wird von einer riesigen Krone überdacht. Darunter im Strahlenkranz das Gnadenbild, eine etwa 90 cm hohe Muttergottesstatue mit Kind, gehauen aus Sandstein, im hochgotischen Stil aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Die Erhöhung zur päpstlichen Basilica minor erfolgte 1963. Heute ist die Wiltener Basilika, am Innsbrucker Westfriedhof und am Stubaitalbahnhof gelegen, eine der meistbestaunten Sehenswürdigkeiten von Innsbruck. Gleich neben der Wiltener Basilika befindet sich auch das Stift Wilten (Heimat eines der ältesten und renommiertesten Knabenchöre Europas, der Wiltener Sängerknaben).

Mit dem Schloss Nymphenburg stattete die Gruppe einem Prachtbau, der lange Zeit die Sommerresidenz der Wittelsbacher und der heute zusammen mit dem Schlosspark Nymphenburg zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten Deutschlands gehört, einen Besuch ab. Das Schloss wurde 1664 vom Kurfürsten Ferdinand Maria als Geschenk an seine Frau Adelheid von Savoyen in Auftrag gegeben, als sie ihm Max Emanuel als lang ersehnten Thronerben geboren hatte. Max Emanuel selbst hatte später wesentlichen Anteil an der Erweiterung des Schlosses. Im Nymphenburger Vertrag von 1741 verbündeten sich Frankreich, Spanien, Bayern, Sachsen mit Preußen gegen Österreich. 1747 gründete Max III. Joseph die Nymphenburger Porzellanmanufaktur. König Maximilian I. starb 1825 im Schloss, sein Urenkel König Ludwig II. wurde 1845 hier geboren. 1863 fand in Nymphenburg das einzige Treffen zwischen Ludwig und Otto von Bismarck statt, der ihm in lebenslanger Freundschaft verbunden blieb.

     
   

Das Schloss gehört mit seiner kunstvollen Inneneinrichtung und der viel bewunderten Schönheitsgalerie König Ludwig I. zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten Münchens. Im Schloss befindet sich das Geburtszimmer König Ludwigs II. und der mehrgeschossige Festsaal mit dem großartigen Deckenfresko von Johann Baptist Zimmermann.

Nymphenburg war Kurfürst Ferdinand Marias Geschenk an Henriette Adelaide zur Geburt des Thronfolgers: Auftakt zu einer strahlenden Barockschöpfung, die dann der Thronfolger selbst, Max Emanuel, realisierte. Er ließ die Landvilla seiner Mutter durch symmetrische Zubauten zu einer weitläufigen und anmutigen Schlossanlage ausbauen. Angetrieben von dem ambitionierten Fürsten, arbeiteten seine vor allem aus Frankreich und Flandern mitgebrachten Hofkünstler von 1715 an fieberhaft am Ausbau Nymphenburgs sowie an Schloss Schleißheim.

Der ursprüngliche Bau von Barelli und Zuccalli (1664 - 74) ist der würfelförmige Mitteltrakt mit Freitreppe. Beidseitig folgten 1704 die Galerien, ab 1715 die vier übereck gestellten Pavillons, dann der Marstall im Süden, Orangerie und Kloster im Norden. Zwischen 1729 und 1758 entstand ein Rondell mit je fünf Kavaliersbauten auf beiden Seiten.

Im Schlosspark besuchte die Gruppe ein Rokokokleinod von höchster Raffinesse. Der kreisrunde Spiegelsaal bietet ätherische Raumphantasie in den bayerischen Farben Silber und Blau. Das schöne Rokokojagdschlösschen schenkte Kurfürst Karl Albrecht seiner Gemahlin Amalie, einer Tochter Kaiser Josephs I. Von Cuvilliés 1734 - 39 erbaut, gilt die Amalienburg als schönstes Lustschlösschen des europäischen Rokoko.

Auftakt des Besuches in München war ein Besuch der größten privaten Weißbierbrauerei in Erding. Die Anfänge von Erdinger Weißbräu liegen im Jahre 1886, als der Bau einer Weißbierbrauerei in Erding erstmals urkundlich erwähnt wurde. Heute steht Erdinger Weißbier weltweit für Weißbiergenuss und bayerische Brautradition. Mit einem Ausstoß von mehr als 1,45 Mio. hl, rund 400 Mitarbeitern und einem Vertriebsnetz, das sich nahezu über den gesamten Globus erstreckt, ist die Traditionsbrauerei national wie international Weißbier-Marktführer. Als eine der größten deutschen Privatbrauereien rangiert Erdinger-Weißbräu auf dem gesamten deutschen Biermarkt unter den ersten Plätzen. Bei einem Rundgang durch die Brauerei konnte die Gruppe allerlei Wissenswertes über die Bierproduktion nach dem "bayerischen Reinheitsgebot" erfahren und in der Brauereischänke bei einem Weißwurst-Imbiss die verschiedenen Sorten probieren.
Bayerische Biergartengemütlichkeit erlebten die Niersteiner bei herrlichem Sonnenwetter zum Abschluss in Münchens größtem Biergarten, dem Hirschgarten.

Insgesamt war die Reise des Geschichtsvereins wieder angefüllt mit großartigen Eindrucken von Geschichte, Kultur und bayerischer Lebensart – ein kulturhistorischer Ausflug, dem weitere folgen werden, folgen müssen – darin waren sich die Teilnehmer einig.