Vortrag über Hexenverfolgung

Auf enorm große Resonanz stieß unser Vortragsangebot am 9. Mai 2018: Gut 60 Gäste waren gespannt auf die Ausführungen von Dr. Walter Rummel, Leiter des Landesarchivs Speyer, zum Thema „Hexenverfolgung in Mitteleuropa“. Jeder, so führte Dr. Susanne Bräckelmann, Vorstandsmitglied im Geschichtsverein Nierstein, einleitend aus, habe spontan Bilder vor Augen, ob es nun die sympathische „Kleine Hexe“ aus dem Kinderbuch von Preußler sei oder die unheimliche, bucklige Version, die man aus vielen Märchen kennt.

Genauso sehe es beim Stichwort „Hexenverfolgung“ aus, grausame Bilder von Scheiterhaufen gebe es viele und schnell verbinde man sie mit einem vermeintlich „finsteren Mittelalter“ und einer erbarmungslosen Hetzjagd seitens der Kirche.

    Geschichtsverein Nierstein e.V.
Doch Dr. Walter Rummel, der sich seit über 30 Jahren mit diesem Thema wissenschaftlich beschäftigt, machte deutlich, dass dieses Bild nicht der Wirklichkeit entspricht. Differenziert, anschaulich und lebendig erläuterte er, dass das Thema ein frühneuzeitliches und kaum ein mittelalterliches Phänomen war. Schätzungsweise 50.000 Menschen seien den Hexenverfolgungen der frühen Neuzeit zum Opfer gefallen, davon etwa 80 Prozent Frauen.
 
GVN   Theologen und Kirchen aller Konfessionen haben, so Dr. Rummel, die Hexenverfolgungen unterstützt, allerdings waren es im Wesentlichen Juristen, die sie legitimiert und weltliche Gerichte, die sie ausgerichtet haben.
Der stärkste Antrieb indes ging von Seiten der Bevölkerung, von Konkurrenten und auch den eigenen Nachbarn aus, welche auf diese Weise ihre internen Konflikte austrugen: Insbesondere wohlhabende Familien in Machtpositionen wurden auf diese Weise Opfer von Intrigen, Neid und Missgunst.

Die Kritik und Abkehr von diesem Verfolgungstyp setzte nicht erst unter dem Einfluss der Aufklärung ein: Spätestens in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts begann sich bei Territorialfürsten angesichts anhaltender Kritik an den fortwährenden Justizirrtümern die Einsicht durchzusetzen, dass Rechtsbrüche bei Hexenverfolgungen unvermeidlich waren.
Die Folge war, dass die Massenverfolgungen endeten, lange bevor das theologische Fundament des Hexenglaubens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch die Aufklärung widerlegt wurde.

Noch früher war in der Kurpfalz der Irrweg der Hexenverfolgungen erkannt worden. Bereits im 16. Jahrhundert haben die Pfälzer Kurfürsten versucht, alle Ansätze zu Hexenverfolgungen in ihrem Herrschaftsbereich zu unterbinden, z.T. auch mit militärischen Mitteln. Dr. Rummel betonte, ein starker Staat, ein intaktes Gemeinwesen seien, entscheidend, damit Verfolgungen von Mitmenschen – gleich aus welchen Gründen – verhindert werden.

Eine lebendige Diskussion folgte, in der der Referent auch die immer noch weit verbreitete These, dass man ganz gezielt die „weisen Frauen“ – die Hebammen und Heilerinnen – verfolgt und vernichtet habe, widerlegte: Volkstümliche Heilerinnen und Heiler waren – gemessen an ihrem Anteil an der Bevölkerung – nicht häufiger Opfer der Verfolgungen als andere Bevölkerungsgruppen.

 

Zum Weiterlesen:
Rummel, Walter / Voltmer, Rita: Hexen und Hexenverfolgung in der frühen Neuzeit, 2., bibliographisch aktualisierte Aufl. 2012, 144 S.

(Bild 1)
Groß war das Interesse am Thema Hexenverfolgung.

(Bild 2)
Dr. Walter Rummel.

     
Fotos: Geschichtsverein Nierstein    
     

Nierstein, Mai 2018